MFT, oder: Liebling, ich habe die Kamera geschrumpft

Vorbemerkung: Ich kaufe überhaupt nicht gern neue tech­nische Geräte, und normaler­weise schreibe ich auch nicht drüber, weil ich es nicht als Aufgabe eines Bloggers ansehe, andere zum Konsum zu inspi­rieren (bei gebrauchten oder selbst gebauten Werk­zeugen sieht das ein bisschen anders aus). Da es in diesem Fall um ein Gerät geht, das gut geeignet ist, meinen Alt­beständen an Objek­tiven eine „Frisch­zellenkur“ zu verpassen, erlaube ich mir die folgende Ausnahme.

Wer meine foto­grafischen Präfe­renzen schon eine Weile kennt, könnte sich wundern, wieso ich neuer­dings eine Micro-Four-Thirds-Kamera mein eigen nenne. Immerhin hat der MFT-Sensor bloß etwa 2,2 Quadrat­zentimeter Fläche und damit gerade mal ein Viertel des Formats 24x36mm, das ja aus gutem Grund Kleinbild heißt: Full Frame sagt man zu so einem Sensor nur beschönigend – um auch im Weitwinkel-Bereich wirklich überzeugend mit Schärfe und Unschärfe gestalten zu können, darf das Aufzeichnungs­format gern noch ein Mehrfaches größer sein.

Allerdings stellt meine digitale Kleinbild­kamera, die ich auch für berufliche Zwecke benötige, trotz nicht allzu hoher Auflösung deutlich höhere Ansprüche an die Schärfe­leistung der Objektive als die analoge (*), was sich bereits bei einer Minimal-Kombination mit kurzem Normal­objektiv in der Größe und noch deutlicher im Gewicht niederschlägt.

(* Das habe ich nicht vom Hörensagen übernommen, sondern penibel selbst getestet – zwischen den zwei abgebildeten 35ern etwa liegen auf dem Sensor buchstäblich Welten, was man bei SW-Filmbelichtung nicht annähernd so deutlich sieht.)


3x das Gleiche, fast 🙂
Von rechts nach links:
mechanische SLR Nikon FM-2 mit Nikon Series E 2,5/35, ca.
 750g
DSLR Nikon D700 mit Zeiss Distagon 2,0/35, ca. 1700g
DSLM Olympus OM-D E-M5 II mit Olympus M.Zuiko 1,8/17, ca. 600g
Gewicht jeweils mit Streulichtblende und Novoflex-Stativkupplung, aber ohne Trageriemen

Und wenn ich zum Privat­vergnügen mit einer meiner Holz-Plattenkameras unterwegs bin und einfach noch eine digitale Begleiterin brauche, sind fast zwei Kilogramm nur dafür buchstäblich untragbar, wenn der Rucksack ohnehin schon 10 bis 20 kg wiegt. Daher hatte ich nun einige Jahre lang eine Kompakte des 1-Zoll-Typs in Gebrauch, eine Canon G7X. Die liefert zumal bei gutem Wetter auch ordentliche Bild­qualität, aber sie bedient sich halt nicht so angenehm wie eine größere Kamera, und es fehlt ihr der Durchsicht­sucher, woran ich mich partout nicht gewöhnen kann.

Und als ich Anfang 2020 ohnehin Handlungsbedarf für Repro-Zwecke hatte, weil mein Durchlicht-Scanner immer unzuverlässiger arbeitete, habe ich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen und mit der Olympus E-M5 – „nur“ zweite Generation: digitale Technik kaufe ich, wenn nicht sowieso gebraucht, dann, wenn das jeweilige Nachfolge­modell verfügbar ist, weil dann die Preise attraktiv werden – eine Kamera erworben, die mit 1,8/17 (also dem Äquivalent des klassischen 35ers bei Kleinbild, meiner wichtigsten Objektiv-Kategorie) in die meisten meiner Jacken­taschen passt, einen stativ­gebundenen Multishot-Modus für Reproduktionen hat – der mit guter Fest­brennweite erstaunlich hohe Qualität liefert und den Scanner für viele Zwecke ersetzen kann – und an die sich meine alten Nikon- und anderen Objektive adaptieren lassen.

Für ein ernsthaftes Urteil ist es nach sechs Wochen noch etwas früh (in Zeiten von gestern gekauft, heute die Amazon-Rezension eine zugegeben altmodische Einstellung), aber bisher macht sich die Kleine recht gut. Insbesondere der elektro­nische Sucher überzeugt mich mehr, als ich das nach früheren Erfahrungen mit EVFs erwartet hätte – er ist sehr groß und scharf, und das Fokussieren mit adaptierten Optiken klappt dank zuschalt­barer Vergrößerung bemerkens­wert präzise. Nur seine Helligkeits­verstärkung bei schwachem Licht ist eine zwei­schneidige Sache, weil fürs Auge etwas anstrengend. (Da behelfe ich mir mit Belichtungs­korrektur nach Minus und zur Kompensation entsprechend niedrigerer ISO-Einstellung.) Und noch kleiner dürfte die Kamera nicht sein, denn die zahlreichen, dankens­werter­weise meist frei programmier­baren Tasten sind für mich zumindest mit Hand­schuhen kaum mehr bedienbar; Haptik ist einer der Punkte, in denen die DSLR noch klar im Vorteil ist. (In technischer Bildqualität übrigens auch, trotz höheren Alters und geringerer Auflösung – logisch, wenn jedes Pixel fast die sechsfache Oberfläche zum Lichtfangen hat.) Man kann halt nicht alles haben …

Zum Thema Altglas habe ich übrigens ein paar syste­matische Tests in meinem Werkstatt-Blog veröffentlicht; seither habe ich das mitge­lieferte 10fach-Zoom verkauft und durch ein licht­starkes Weitwinkel ersetzt (manuelles Samyang 2,0/12mm – gebraucht, das kann ich bei Objektiven wärmstens empfehlen). Alles ab 50mm, also bei MFT Portrait-Tele, adaptiere ich nur aus meinem histo­rischen Fundus; dabei entfällt AF, den ich ohnehin fast nie brauche, und ich gewinne gegenüber dem Zoom Licht­stärke, oft Nahgrenze und meist auch Randschärfe. Und ich habe einen Crop-Faktor von ca. 2 – unter Schärfe/Unschärfe-Aspekten, wie oben beschrieben, ein Fluch, aber für Tierfoto-Zwecke durchaus ein Segen:

Mein altes 4,0/300 etwa wird dadurch zum echten Supertele, und dank des gehäuse­integrierten Bild­stabilisators der Olympus lässt es sich auch bei schwachem Licht prima freihand nutzen – dies hier beispiels­weise war eine 1/30 Sekunde nach Sonnen­untergang bei ISO 3200, und ich hatte nicht mal ein Einbein drunter. Nur ein bisschen drollig sieht sie aus, die geschrumpfte Kamera hinter dem langen Rohr:

Rein handling-technisch ist die Olympus für diese Optik schon fast zu leicht: Freihand arbeitet es sich ausgewogener, wenn zusätzlich noch ein Telekonverter montiert ist. Ich hätte anfangs nicht gedacht, dass sich die damit resultierende Brennweite von KB-äquivalent ca. 840mm bzw. 1200mm (mit 1,4- bzw. 2fach-Konverter) noch sinnvoll nutzen lässt, aber für bspw. brauchbare Fotos kleiner Singvögel aus sicherer Entfernung ist das gar nicht schlecht.